Die Psyche im Lockdown

Wie Familien möglichst gut durch diese fordernden Wochen kommen

Auch in diesem Lockdown stehen viele Eltern neuerlich vor der Herausforderung, Homeoffice, Homeschooling, Haushalt und Kinderbetreuung unter einen Hut bekommen zu müssen. Der Verein Kinderhilfswerk möchte deshalb bei Eltern Bewusstsein dafür schaffen, wie sie mit ihren Kindern möglichst gut durch diese anstrengende Zeit kommen.

Dr. Rudolf Fessl (rechts im Bild): „Die Hilfe zur Selbsthilfe“, das individuell maßgeschneiderte Hilfsangebot und die persönlichen Ressourcen jedes einzelnen Kindes stehen im Mittelpunkt der psychotherapeutischen Arbeit. Bei jüngeren Kindern steht die spielerisch-kreative Form im Vordergrund, bei Jugendlichen das Gespräch.

Dr. Rudolf Fessl, der fachliche Leiter des Vereins sowie Familien-, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut gibt Eltern für die Herausforderungen im Lockdown Folgendes mit auf den Weg:

Bleiben Sie gemeinsam mit Ihrem Kind in Bewegung!

Bewegung an der frischen Luft hilft gerade jetzt, einen klaren Kopf zu bewahren und zu entspannen. Egal ob ein Spaziergang im Wald, Ball- und Fangenspielen im nahe gelegenen Park, eine Schneeballschlacht – sofern es das Wetter erlaubt – oder eine Nachtwanderung mit der Stirnlampe: Alles, was dem Körper guttut, tut auch der Psyche gut. Gleichzeitig schaffen diese gemeinsamen Erlebnisse Verbundenheit und Nähe.

Sprechen Sie mit Ihrem Kind über seine Gefühle beim Lernen und seine Lernorganisation!

Welche Mutter oder welcher Vater kennt das nicht? Bei der Hausübung kommt es immer wieder zu Diskussionen mit dem Kind, es ist frustriert und hat das Gefühl, bestimmte Aufgabenstellungen „einfach nicht zu können“. Kind und Eltern sind verzweifelt und das Homeschooling verschärft diese Situation noch. Wichtig ist, sich bewusst zu machen: Was wir während des Lernens denken, bestimmt auch, wie wir uns fühlen, wie wir mit Problemen im Lernprozess umgehen und wie es gelingt, uns auf neue Themen einzulassen. Deshalb ist es hilfreich, mit dem Kind darüber nachzudenken, wie es mit sich selbst spricht und welche Gefühle das bei ihm selber auslöst. Dabei wird das Kind merken, dass es durch negative Gedanken die Lust am Lernen verliert und dass es – mit Hilfe der Eltern – Einfluss darauf nehmen kann. Zu den effektivsten Lerntechniken gehört: Gut verteiltes und gestaffeltes Lernen sowie Inhalte selbstständig erarbeiten und in eigenen Worten wiedergeben. Darüber hinaus wird Wissen durch Abwechslung besser im Gehirn verankert, d. h. durch Hören, Lesen, Aufschreiben und Vorsagen. Auch Bewegung von mindestens einer Stunde am Tag über einen längeren Zeitraum wirkt sich positiv auf das Lernen – und damit auf die Stimmung in der Familie – aus. Darüber hinaus sollte man gerade im Homeschooling auf die Tagesstruktur achten, Lernzeiten und Pausen festlegen sowie Aufgabenpakete besprechen.

Verteilen Sie Aufgaben im Haushalt!

Neben der Arbeit im Homeoffice und der Hilfe beim Lernen fällt im Lockdown mehr Hausarbeit an. Denn mehr Zeit in den eigenen vier Wänden, bedeutet auch mehr Unordnung. Hinzu kommt das tägliche Kochen, wenn die Kinder plötzlich nicht mehr im Hort oder in der Nachmittagsbetreuung zu Mittag essen. Damit die Tätigkeiten nicht allein bei den Eltern hängen bleiben und für zusätzlichen Stress und Frustration sorgen, sollte mit dem Kind besprochen werden, welche Aufgaben es im Haushalt erledigen kann. Der positive Nebeneffekt ist, dass das Kind auf diesem Weg lernt mit Eigenverantwortung umzugehen. Eltern, die altersgerechte Herausforderungen bieten, stärken damit das Selbstwertgefühl ihres Kindes.

Trauen Sie sich Hilfe in Anspruch zu nehmen!

Wenn jemand aus dem persönlichen Umfeld Hilfe anbietet – egal ob Großeltern, Tante, Onkel oder Nachbarin – sollten Eltern sich keinesfalls scheuen, diese anzunehmen. Selbst Stundenweise Unterstützung beim Homeschooling oder bei der Kinderbetreuung entlastet „im Kopf“ und schafft Freiraum für die Arbeit, Erledigungen oder eine Verschnaufpause beim Spaziergang mit einer Freundin. Eltern, die beobachten und spüren, dass ihr Kind oder sie selbst an die persönliche Belastungsgrenze kommen, sollten frühzeitig professionelle Hilfe holen. Die Angebote für Familien in Krisen sind vielfältig. Im Kinderhilfswerk unterstützt man Kinder und Jugendliche durch Psychotherapie und Eltern begleitend durch Beratung. Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.

Nehmen Sie sich zwischendurch eine Eltern-Auszeit!

Eltern stehen im Lockdown unter großem Druck. Sie müssen den Anforderungen des Arbeitgebers und oft auch der Lehrkräfte, ihren Kindern und sich selbst gerecht werden. Daher sollte man sich jeden Tag eine kleine Auszeit nehmen. Ein Spaziergang, alleine oder mit einer Freundin sowie eine Laufrunde an der frischen Luft kann helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch Entspannungsübungen, die sich zwischendurch einbauen lassen, sind sehr wirksam und dienen der Selbstberuhigung. Angeleitete Mediationen und Entspannungsmusik gibt es auf CD oder im Internet zum Download oder Streamen.

Sprechen Sie mit Ihrem Kind ehrlich über Ihre Gefühle und Gedanken!

Viele Eltern sind in der Corona-Krise verständlicherweise verunsichert. Sei es aus Sorge um den Arbeitsplatz, der Stress in beengten Wohnverhältnissen oder wegen der Doppelbelastung im Homeoffice und Homeschooling. Kinder spüren 100 Meter gegen den Wind, wenn ihre Eltern psychisch und emotional belastet sind, gerade wenn sie versuchen es zu verbergen. Wenn Mutter und Vater leiden, sind auch immer die Kinder die Leidtragenden. Deshalb ist es umso wichtiger, die eigenen Gefühle – auch die Überforderung – offen und zuversichtlich auszusprechen und sein Kind zu ermutigen, sich seine Sorgen von der Seele zu reden. Das alleine bringt oft schon Entlastung. Wenn ein Kind die Situation im Lockdown nicht oder nur wenig belastend empfindet, sollte man es nicht dazu drängen darüber zu sprechen, sondern viel mehr die Themen aufgreifen, die ihm am Herzen liegen. Eltern sind hier besonders gefordert, gute Zuhörer*innen und Beobachter*innen zu sein.

Ermöglichen Sie Ihrem Kind Kontakt mit Gleichaltrigen!

Gerade wenn wegen des Homeschoolings der Kontakt mit Klassenkamerad*innen wegfällt und auch das Beisammensein im Sportverein oder in der Chorgruppe nicht möglich ist, sollten Kinder weiterhin Gleichaltrige sehen können. Das kann online über verschiedene Medien passieren, besser sind jedoch persönliche Treffen im Freien, zumindest mit den engsten Freund*innen. Kinder brauchen soziale Kontakte für ihre Entwicklung und längere Phasen der Isolation wirken sich negativ auf ihre psychische Gesundheit aus.

Dr. Rudolf Fessl: „Ich sage Eltern immer wieder, am wichtigsten ist es, Ruhe zu bewahren. Wenn dies gelingt, wirkt es sich positiv auf das Wohlergehen ihres Kindes aus. So können Familien mit vereinten Kräfte den Lockdown – und diese Krise – meistern!

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